Du hast die Wahl! Das gilt bei Frozen Joghurt Toppings oder auf dem Stimmzettel. Und an beiden Stellen kann die Ansage ebenso begeistern oder überfordern. Immer lädt sie jedoch zur Entscheidung ein, die — im Gegensatz zu zuckerhaltigen Vorlieben — am 26. September 2021 unser Leben für vier Jahre beeinflussen wird.
So weitreichend wie die Bundestagswahl ist ungefähr auch der Einfluss der Neurologie, denn als Wissenschaft und Lehre vom Nervensystem hat sie unseren gesamten Organismus im Blick. Für welche Partei sich unser Gehirn in Erst- und Zweitstimme entscheidet, wird im Wahlkampf beeinflusst. Kampagnen geben über verschiedene Kanäle Einblicke in Wahlprogramme. Framing will uns Politiker*innen einordnen. Auf Social Media zeigen sich Parteimitglieder auf Augenhöhe und nehmen die potentiellen Wähler mit durch ihren Wahlkampf.
Laut Das Gehirn gibt es Unterschiede der neurologischen Strukturen bei Anhänger*innen verschiedener politischer Strömungen. Konservative Gehirne haben einen großen Mandelkern, der bei der Einordnung von Bedrohungen hilft. Liberale Gehirne haben im Gyrus cinguli anterior, also den Großhirnrindenfeldern, mehr Antennen für Neues. Da überrascht es fast, dass die CDU mit #Innovationsland wirbt, während die FDP an der Schuldenbremse festhält.
Schnell ziehen uns auch die Bilder in ihren Bann. Franziska Giffey von der SPD zeigt sich verspielt zwischen Seifenblasen, Dr. Turgut Altug von Die Grünen lächelt illustriert zwischen Blumen und Pascal Meiser von Die Linke blickt uns im roten Kapuzenpullover entgegen. Die aktuelle Motive im Berliner Stadtbild kömnnen auch mit der Farbwahl unsere Entscheidung beeinflussen. Laut der Platform Brain Effect steht Blau für Harmonie, während Gelb Optimismus suggeriert. Ob das mehr als Küchenneurologie ist, können wir nur spekulieren.
Neben den Bildern beeinflusst die Sprache im Wahlkampf unsere Entscheidung. Beim politischen Framing aktiviert eine gezielte Wortwahl unsere Assoziationen. Ausgelöste Gefühle überlagern unser rationales Denken. Neurolinguistin Elisabeth Wehling erläutert gegenüber Politik & Kommunikation: „Frames verändern unser Denken. Je öfter das Gehirn eine Idee berechnet, desto mehr etabliert sie sich im Gehirn.”
Als Konsequenz des Cambridge Analytica Skandals, der zur Wahl Trumps durch detaillierte Persönlichkeitsprofile geführt haben soll, legt Facebook Wahlwerbung jetzt öffentlich dar. Die Plattform zeigt transparent, welche Kampagnen welcher Parteien wieviel kosten und wo sie Erfolg haben. Social Media-Nutzer*innen können so mehr über den Wahlkampf erfahren und wie sie womöglich auch neurologisch beeinflusst werden.
Nur eins kann selbst die spektakulärste Kampagne nicht: die Entscheidung abnehmen. Das Kreuz wird in den kommenden Jahren jeder gerne selber machen, auf welchem Zettel oder (digitalen) Gerät auch immer. Und im Zweifel versüßt ein Frozen Joghurt mit allen Toppings die Bedenkzeit.